Keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen aufgrund sexueller Identität
In einem Brief an alle Mitarbeitenden im Bistum Hildesheim hat Generalvikar Martin Wilk sich zu den Folgen der Münchener Aufarbeitungsstudie und dem Outing von über hundert Mitarbeitenden der katholischen Kirche geäußert.
Der Generalvikar schreibt: „Wir leben in einer Kirche, in der die Aussagen des emeritierten Papstes in Bezug auf Missbrauch für massive Irritationen gesorgt haben und in der Menschen, aus Angst vor arbeitsrechtlichen Konsequenzen, ihr eigenes Ich verstecken müssen. Vor diesem Hintergrund kann ich gut verstehen, dass für manche von Ihnen die Identifikation mit unserer Kirche eine Herausforderung darstellt." Beides sei verstörend, auch für ihn, betonte Wilk.
Zugleich sei er dankbar, die Bistumsmitarbeitenden im Dienst für die Kirche zu wissen. Ihre Arbeit sei wertvoll und unverzichtbar: „Ich möchte Sie ermutigen, mit Ihrem Engagement zum absolut notwendigen Kulturwandel unserer Kirche beizutragen", so Wilk an die Mitarbeitenden gewandt. Das Bistum Hildesheim werde sich in der rückhaltlosen Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt in der Diözese, der Haltung von Bischof Dr. Heiner Wilmer SCJ folgend, weiterhin von Transparenz und Wahrhaftigkeit leiten lassen und alles dafür tun, dass die Kirche ein sicherer Ort für alle sei.
Die ARD-Dokumentation „Wie Gott uns schuf – Coming Out in der Katholischen Kirche" zeige nach Wilks Worten Menschen in ihrer Vielfalt und Einzigartigkeit: „Sie macht mir deutlich, dass wir dringend verlässliche und verbindliche Lösungen im kirchlichen Arbeitsrecht für die unterschiedlichen Lebenssituationen brauchen. Dabei denke ich auch an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die nach einer Scheidung wieder geheiratet haben. In unserem Familien- und Freundeskreis sind diese Beziehungen schon längst eine akzeptierte Realität geworden, am kirchlichen Arbeitsplatz werden sie zu einem arbeitsrechtlichen und damit auch zu einem persönlichen Problem. Wir dürfen unsere Augen vor der Realität nicht länger verschließen."
Es erfordere großen Mut, sich vor einem Millionenpublikum als homosexuell zu bekennen, wenn man befürchten müsse, deshalb von seinem kirchlichen Arbeitgeber sanktioniert zu werden. Der Generalvikar fordert deshalb ein Klima der Angstfreiheit in der Kirche. Niemand dürfe aufgrund seiner sexuellen Identität diskriminiert werden. „Für diesen wertschätzenden Umgang miteinander setze ich mich mit allen mir zur Verfügung stehenden Mitteln ein."
Wilk stellte klar, dass Mitarbeitende des Bistums Hildesheim aufgrund ihrer sexuellen Identität keine arbeitsrechtlichen Konsequenzen fürchten müssten. Dass Menschen im Dienst der Kirche aus Sorge um ihren Arbeitsplatz zu einem Versteckspiel gezwungen würden, sei unhaltbar. „Wir brauchen in unseren diözesanen Beratungsgremien eine ehrliche Diskussion um die grundsätzliche Ausrichtung unseres Bistums in diesem Themenbereich", schreibt Wilk. Dem Bischof sei es deshalb ein wichtiges Anliegen, dass eine diesbezügliche Reform des kirchlichen Arbeitsrechts im Kontext des Synodalen Weges der katholischen Kirche in Deutschland deutlich zur Sprache komme.
Nach Wilks Auffassung muss über die Frage der Segnung homosexueller und wiederverheirateter Paare eine ergebnisorientierte Diskussion geführt werden, „um ihnen möglichst bald einen wertschätzenden liturgischen und pastoralen Rahmen zu bieten, wenn sie ihre Liebe unter den Schutz Gottes stellen möchten.“ Es gehe darum, die heutigen Lebenswirklichkeiten der Menschen zu würdigen und ernst zu nehmen, ohne damit das Sakrament der Ehe zwischen Mann und Frau in Frage zu stellen. „Unsere Kirche muss jedem Menschen Heimat bieten."
In seinem Schreiben wies Wilk auf Pater Hans-Albert Gunk OP hin, den Diözesanbeauftragten für das seelsorgerliche Gespräch mit homosexuellen Menschen und Menschen anderer sexueller Orientierung. Gerne könnten sich Mitarbeitende bei Fragen und persönlichen Anliegen an ihn wenden.