Leidenschaft – filmreif und virtous
Zweite Kulturandacht in der Basilika St. Clemens
Zweite Kulturandacht in der Basilika St. Clemens mit Geschichten und Tönen voller Leidenschaft – und was Hoffnung ausmacht. Und Gott.
„Leidenschaft, die – Substantiv, feminin“ schreibt der Duden. Und weiter zur Erklärung: große Begeisterung, ausgeprägte Neigung, Passion für etwas, was man sich immer wieder zu verschaffen, was man zu besitzen sucht, für eine bestimmte Tätigkeit, der man sich mit Hingabe widmet.“
Passion, Hingabe, Leidenschaft: Das haben Wiebke und Johannes Thomsen. Denn wie sonst könnte man auf die Idee kommen, einfach mal das kleineste Kino der Welt zu gründen – das Lodderbast, kurz „LDRBST“. Früher ein Eckkiosk, heute ein Lichtspieltheater auf 39 Quadratmetern mit 20 Plätzen. Die Cocktailsessel sind liebevoll zusammengewürfelt, die Limo ist selbstgemacht und – klar – Popcorn und bunte Tüten gibt es auch.
Die beiden Kino-Macher*innen zeigen seit 2018 Filme, die ihnen gefallen. Wilde, aneckende, emotionale, verstörende, klamaukige oder unfreiwillig komische Filme. Wieder kurz: mit Leidenschaft gemachte Filme.
Doch die Pandemie bremst das Ehepaar aus, wie sie bei der Kulturandacht eindringlich berichten. Am 11. März letzten Jahres entschließen sich Wiebke und Johannes Thomsen den Betrieb im Lodderbast zu schließen. Aber auch das leidenschaftlich, mit Hingabe. „Wir haben lange darüber nachgedacht“, schildert Johannes Thomsen. Aber eine Haltung hat sich dabei herausgeschält: „Wenn wir untergehen, dann mit Pauken und Trompeten – Hauptsache, es sieht gut aus.“ Filmreif. Oder leidenschaftlich.
So erklärt sich aber auch die Textauswahl der Thomsens: „Der Lenz verschiebt seine Premiere“, ein Gedicht von Erich Kästner. Wiebke und Johannes Thomsen dichten es etwas um. Oder anders ausgedrückt: Sie adaptieren das Thema. Wie bei einer Literaturverfilmung. Damit die Botschaft klar rüberkommt: Nicht den Kopf hängen lassen, sondern weitermachen.
Verrechnungsschecks im Briefkasten
Filme kennen göttliches Eingreifen zum Zeichen der Hoffnung. War es Gott, der Hoffnung verleiht. „Nein, nicht Gott“, sagt Johannes Thomsen. Damit hat er nichts zu tun. Aber Unterstützung für den Kino-Kiosk kommt trotzdem überraschend: Verrechnungschecks, die bisherige Besucher*innen in den Briefkasten stecken, die Vermieterin verzichtet auf die Miete.
Für die Thomsens wird klar: „Kino ist kreativ, also können wir mit einer Krise kreativ umgehen.“ Sie entwickeln Online-Kinoabende, laden zu Videogesprächen mit Regisseur*innen ein. Zählen sie über die Monate ihre Zuschauer*innen zusammen ergibt sich eine atemberaubende Zahl: 60 000.
Da kommt für die Thomsens wieder vom Drehbuch her wieder Gott auf die Leinwand: „Für uns ist das eine kulturelle, eine kreative Kraft. Aber ich verstehe, dass diese Chiffre für Euch Gott heißen kann“ Es entsteht etwas, ausgelöst durch die harte Pandemie, was es sonst nicht gegeben hätte. Der Anstoß, eingefahrene Wege zu verlassen.
Hingabe, Passion – das sind auch Themen der Musik. Erst recht für ein Instrument wie die Orgel. Musikalisch wird die Andacht von David Thomas gestaltet. 19 Jahre jung, die Haare hoch, die Hosen kurz. Organist an der evangelisch-lutherischen Münstergemeinde St. Bonifatius in Hameln, Student der Kirchenmusik an Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover. Virtuos. Und leidenschaftlich.
Zerbrechlichkeit („fragile“) ist der Leitgedanke des Kulturandachten. Das will Thomas mit seiner Musikauswahl unterstreichen: „Die A-Dur Sonate von Mendelssohn kombiniert einen majestätischen homophonen Satz mit einer vierstimmigen Fuge über den Bußchoral „Aus tiefer Not schrei ich zu dir“, die sich aus einem geheimnisvollen Anfang im pianissimo zurück zum lauten Anfangsthema entwickelt.“
Oder der „Étoile du soir“ (Abendstern) aus dem Zyklus „Piéces de fantaisie“von Louis Vierne. Für Thomas ein empfindsames impressionistisches Charakterstück, in welchem durch raffinierte kompositorische Techniken ein hoher Bezug zur Natur hergestellt wird.“ Eine Leidenschaft für die Schöpfung.
Hingabe, Passion. Gott als kulturelle, kreative Kraft. Oder: „Leidenschaft, die – Substantiv, feminin“ …
Die weiteren Andachten:
- Ausdrucksstarke Fotos stehen im Mittelpunkt der Kulturandacht am Mittwoch, 23. Juni. Die Fotografin Kwanho Yuh wird Fotos zeigen, die die persönliche und gesellschaftliche Situation der Corona-Pandemie widerspiegeln – im musikalischen Zusammenspiel mit ihrer Tochter, der Sängerin Sara Zwingmann. Am Klavier werden sie von Nicolai Krügel begleitet.
- Jazzklänge mit dem Kontrabassisten Johannes Keller setzen die musikalischen Akzente in der Andacht am Mittwoch, 7. Juli. Der Wortbeitrag kommt von Professorin Susanne Rode-Breymann, der Direktorin der Hochschule für Musik, Theater und Medien Hannover (HMTMH).
- Die Abschlussandacht vor den Sommerferien am Mittwoch, 21. Juli wird musikalisch von „Cream Flow“ mit den Musiker*innen Agnes Hapsari und Pit Schwaar gestaltet, den textlichen Impuls gibt Jörg Breiding, Professor an der Essener Folkwang-Hochschule und Leiter des Knabenchors Hannover.
Beginn ist immer um 19:30 Uhr. Eine Anmeldung ist aufgrund der geltenden Infektionsschutzmaßnahmen erforderlich – entweder unter Telefon 0511/1640520 oder per E-Mail: propstei(ät)kath-kirche-hannover.de. Es stehen in der Basilika 38 Einzelplätze zur Verfügung, bei gemeinsamen Haushalten entsprechend mehr. Die Kulturandachten werden von der Stiftung „Kirche sein – Region Hannover“ finanziell unterstützt